A travelloque in german about our first flight campaign in 2001

inside zero g


„Ten seconds.......five.....three seconds....and pull-up“ ertönt es aus den Kabinenlautsprechern und genau zwanzig Sekunden später mit der Ansage „Injection“ beginnt sie dann, die Phase der Schwerelosigkeit. Ab jetzt stehen den insgesamt sechzig Experimentatoren an Bord des umgebauten Airbus A-300 zero-g der esa ungefähr dreißig Sekunden Schwerelosigkeit zur Verfügung. Nicht viel Zeit, um das völlig unbekannte Gefühl zu erleben und auszukosten, aber genug, um die lange vorbereiteten Experimente durchzuführen.

Sieben Monate vorher startete unser Projekt. Das Ziel war die Entwicklung und Durchführung eines Experimentes, daß die Idee für ein Wirkprinzip einer Weltraumdusche, in der trotz Schwerelosigkeit Wassertropfen beschleunigt werden, unter Beweis stellen sollte. Denn für dieses Problem in der Raumfahrt gibt es bis heute keine befriedigende Lösung. Entweder müssen Astronauten in einer Duschkabine die schwebenden Wassertropfen per Hand einfangen, verreiben und danach wieder absaugen oder es stehen nur Frischetücher und Waschlappen zur Verfügung.

Die fehlende Gewichtskraft, die sonst für eine Beschleunigung der Tropfen in Richtung Erde sorgt, müßte für eine realitätsnahe Dusche durch eine andere Kraftwirkung ersetzt werden. Dazu bietet sich ein elektrisches Feld an. Unter Ausnutzung des Dipoleffektes sollten die Wassertropfen einfach durch ein inhomogenes elektrisches Feld beschleunigt werden. Mit einem entsprechendem Experiment wollten wir die Machbarkeit beweisen und das Verhalten von verschiedenen Wassertropfen (ionisiertes und destilliertes Wasser und verschiedene Tropfengrößen) studieren.

Die europäische Raumfahrtagentur ESA unterhält über eine Betreiberfirma einen umgebauten Airbus A 300, mit dem regelmäßig zwei Parabelflugkampagnen pro Jahr durchgeführt werden. Neben diesen beiden professionellen „Parabolic Flight Campaigns“ fand dieses Jahr zum vierten Mal seit 1995 eine sogenannte Student Parabolic Flight Campaign statt, mit der Studenten aus allen ESA-Mitgliedsstaaten die Möglichkeit erhalten, ein selbst vorbereitetes Schwerelosigkeitsexperiment durchzuführen.

Nach dem Einreichen einer schriftlichen Experimentbeschreibung beginnt ein genau definiertes mehrstufiges Auswahlverfahren, im Zuge dessen nicht nur die praktische Durchführbarkeit und der wissenschaftliche Nutzen nachgewiesen werden muß. Es sind auch eine Menge Sicherheitsauflagen beim Aufbau des Experimentes zu beachten und natürlich machten die Vorschriften auch vor den Teammitgliedern nicht halt. So mußten wir bald feststellen, daß von unserem ursprünglichen Team aus vier Maschinenbauern nur einer den Anforderungen der esa bezüglich der Flugtauglichkeit entsprach. Um weiterhin in der Endauswahl zu bleiben, fanden sich sehr schnell drei flugtaugliche Ersatzpersonen, die seitdem in das Projekt integriert sind.

Sehr bald stand dann auch fest, daß das Team Darmstadt, so unsere offizielle Bezeichnung, mit dem Experiment „SpaceShower“ für die diesjährige Kampagne ausgewählt wurde.

Das Experiment bestand im wesentlichen aus einer großen Metallröhre, in deren Mitte eine Stabelektrode angebracht war. Diese wurde mit einem Hochspannungsgenerator aufgeladen und erzeugte somit in der Röhre ein radiales elektrisches Feld. Durch Kanülen waren die Experimentatoren in der Lage, Wassertropfen in das Feld einzuspritzen. Eine in die Röhre gerichtete Kamera nahm die Flugbahnen der Tropfen zur späteren Auswertung auf. Zusammen mit einem Bedientableau und einer speziellen Entladeschaltung, die die Elektrode im Notfall ohne Funken zu erzeugen entladen konnte, waren diese Bauteile in einer Rack-Struktur aus Bosch-Profilen montiert.

Pünktlich sechs Stunden nach Fertigstellung des Experimentaufbaus starteten wir zu siebt mit einem geliehenen Kleinbus des Hochschulsportzentrums in Richtung Bordeaux. Dort ist der Airbus A 300 zero-g der Betreiberfirma Novespace stationiert.

Von dem geplantem zehntägigen Aufenthalt waren die ersten drei Tage für die letzten Vorbereitungen und den Einbau des Experimentes in das Flugzeug vorgesehen. Das folgende Wochenende stand zur freien Verfügung, bevor es nächste Woche so richtig losging: Am Montag stand die Sicherheitsüberprüfung sämtlicher inzwischen eingebauter Experimente durch Sachverständige des französischen Flugtestzentrums (CEV) auf dem Plan. Dabei zeigten sich noch so manche Sicherheitsmängel an einigen Experimenten. Auch auf unserer Experiment wurde - schon wegen der vorhandenen Hochspannung – ein genauerer Blick geworfen, jedoch bestanden keinerlei Bedenken gegen unsere eingebauten Sicherheitsmaßnahmen.

Dienstags folgte das obligatorische Safety-Briefing, mit Vorstellung der Flugmanöver, der allgemeinen Verfahrensweisen und natürlich den umfangreichen Sicherheitshinweisen und möglichen Gefahrenpunkten. Nachmittags hatten sämtliche Experimentatoren die Gelegenheit, Schwerelosigkeit auf einem kurzen Einführungsflug mit fünf Parabeln zu spüren.

Am Mittwoch stand dann der erste richtige Parabelflug auf dem Plan. Nach der freiwilligen Medikamenteneinnahme gegen Übelkeit startete der Airbus in Richtung Atlantik, über dem die dreißig Parabeln geflogen werden. Die zu diesem Zeitpunkt aus vier Piloten bestehende flight crew versucht dabei eine exakte mathematische Parabel (Wurfparabel) nachzufliegen.

Alle Dinge, die sich im freien Fall befinden sind schwerelos. Das gilt natürlich auch für geworfene Gegenstände und diese fliegen unter Einfluß der Schwerkraft dann am längsten, wenn sie unter einem Winkel von 45° abgeworfen werden. Die Flugbahn, die dieser Gegenstand dann beschreibt ist eine Parabel. Der Airbus beginnt also mit voller Triebwerksleistung zu steigen, bis zu einem Winkel von 45°, ab diesem Punkt ist er mit allen Menschen und Dingen in ihm schwerelos. Er steigt unter Verminderung des Anstellwinkels weiter bis zum Scheitelpunkt in ca. 8000 m Höhe und beginnt dann – immer noch in Parabelform – einen Sinkflug bis zu einem Winkel von ca. 42°. Dort beginnt dann das Manöver zum Ausleiten aus der Parabel, währendessen im Flugzeug ca. die doppelte Erdschwere herscht - genauso wie in der Phase des anfänglichen Steigfluges.

Tags darauf fand der zweite Experimentalflug statt, der unsere erstaunlichen Ergebnisse vom Vortag bestätigte. Wir konnten nicht nur unsere erwartete Flugbahn unserer Tropfen beobachten, sondern einige zusätzliche, die wir in dieser Form nicht erwartet hatten. So schwenkten viele Tropfen z.B. in einen regelrechten Orbit um unsere Elektrode.

Wieder zurück in Darmstadt begannen wir sofort mit der Auswertung der gesammelten Daten. Aufgrund der Vielzahl an Tropfen pro Orbit und der unterschiedlichen Randbedingungen (Feldstärke, Tropfengröße, Zusammensetzung der Wassertropfen), dauert die Untersuchung der digitalisierten Filme noch an. In einem ersten kurzen Überblick für die esa konnten wir mit einer differentiellen Bewegungsgleichung, die wir für unsere Tropfen aufgestellt haben, sämtliche real auftretenden Flugbahnen numerisch simulieren. Als Beispiel sei hier der Orbit einmal als reale Flugbahn und als dazugehörige Simulation dargestellt.

Inzwischen haben wir von der esa eine Einladung erhalten, unsere bisherigen Ergebnisse bei der übernächsten professionellen Parabelflugkampagne im Frühjahr 2002 zu überprüfen bzw. Folgeexperimente bei Ihnen durchzuführen. Unser Team freut sich über diese gute Zusammenarbeit mit der europäischen Raumfahrtagentur und möchte sich an dieser Stelle auch für die überaus gute Zusammenarbeit mit der TUD bedanken. Insbesondere Herrn Prof. Stephan vom Fachgebiet Thermodynamik, der uns in organisatorischer und vor allem finanzieller Hinsicht unterstüzte, gemeinsam mit dem Dekan des Fachbereichs Maschinenbau, Herrn Prof. Anderl.

Michael Rösch im September 2001